204 §. 74. Die Welfen und Ghibellincn.
ten lombardischen Städte zum Aufgeben angemaßter Rechte,
welche den Kaisern früherhin zugestanden hatten, zu zwin-
gen und die kaiserliche Hoheit über Italien herzustellen
suchte. Zwar demüthigte er das hartnäckig widerstrebende
Mailand, das er sogar zerstörte; aber durch das eigen-
süchtige Benehmen Heinrich's des Löwen, der ihm die Hee-
resfolge verweigerte, verlor er 1176 die Schlacht bei
Legnano, so daß er es für gut fand, sich mit den Lom-
barden und dem Papste zu versöhnen. Von diesem Au-
genblicke an war die Übermacht der Kirche
vollkommen entschieden.
Über Heinrich den Löwen, der unterdessen sein Land
durch Eroberung und Anbauung slavischer Gebiete vergrö-
ßert hatte, sprach nun Friedrich die R e i ch s a ch t aus und
vertheilte seine Besitzungen an andere Fürsten, von denen
Otto von Wittelsbach Bauern erhielt, und der
Stifter des noch heute dasselbe regierenden Fürsten- (jetzt
Königs-)hauses wurde. — Nachdem Friedrich, um die Macht
seines eigenen Hauses zu vergrößern, seinem Sohne die
Hand Constanzia's, der Erbin von Neapel und
Sizilien, verschafft hatte, unternahm der allgemein vev
ehrte Kaiser in seinem hohen Alter einen Kreuzzug, auf
welchem er aber, zum Leid für ganz Deutschland, seinen
Tod fand.
Sein Sohn Heinrich Vi (1190— 1197) verwendete
seine ganze Kraft auf die Besitznahme Unteritaliens und
Siziliens, bekam aber dadurch nicht nur den Papst, der
sich zum Oberlehnsherrn dieses Reichs erklärt hatte, zum
Gegner, sondern entfremdete sich auch durch grausame Härte
die Herzen seiner neuen Unterthanen. — Da die ghibelli-
nische Partei nun seinen Bruder Philipp von Schwa-
den, die welfische Partei aber Otto Iv, Heinrich's des
Löwen Sohn, zum Kaiser wählte, so entstand ein zehnjähri-
ger Krieg, bis nach Philipp's Ermordung 1208 Otto die
Oberhand bekam.
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Friedrich Friedrich Otto_von_Wittelsbach Otto Friedrich Friedrich Heinrich_Vi Heinrich Philipp_von_Schwa- Philipp Otto Otto
Extrahierte Ortsnamen: Italien Mailand Neapel Sizilien Deutschland Siziliens
203 $. 75. Die Ausbildung der Landeshoheit.
den Herzogen von Österreih und dehnte sich mehr und mehr
aus, ohne sich von dem deutschen Reiche zu trennen.
Nachdem Kaiser Albrecht von seinem Vetter Herzog Jo-
hann, dem er sein väterliches Erbe vorenthielt, 1308 ermordet
worden war, wurde Heinrichen, Graf von Luxemburg
gewählt, der seinem Hause Böhmen erwarb, dagegen ver-
gebens die kaiserliche Macht wieder in Italien geltend zu
machen suchte.
Nach seinem plötzlichen Tode erfolgte eine zwiespältige
Kaiserwahl (1314), so daß zwischen den Gewählten, Lud-
wig dem Bayern und Friedrich dem Schönen von
Österreich, ein heftiger Krieg um die Krone ausbrach, der
fortdauerte, bis Ludwig durch die Schlacht bei Ampfing
(1322) die Oberhand bekam. Doch hatte er von den Päpsten,
die ihn fortwährend mit Bann und Interdict verfolgten, viel
zu leiden; aber die Treue seiner Stände und zuletzt der
1338 von dem Kurverein zu Rense (d. i. von den daselbst ver-
einigten Kurfürsten) gefaßte Beschluß, daß forthin der
Kaiser seine Würde und Macht ohne päpstliche Be-
stätigung aus üben könne, erhielt nicht nur ihn, sondern
auch die Würde der deutschen Nation aufrecht: denn
Papst Johann Xxii hatte (auf Betrieb des Königs von
Frankreich) die Prüfung der Kaiserwahl, ja die Reichsver-
wesung in Anspruch genommen und sogar die deutsche Krone
einem französischen Prinzen geben wollen (— wie denn über-
haupt Frankreichs Könige im Verlaufe der Geschichte gar oft
die deutsche Kaiserwürde an sich zu bringen suchten).
Ludwig's Nachfolger, Karl Iv von Luxemburg (1347),
sorgte mehr für sein Böhmen, als für Deutschland, und vergab
aus Eigennutz den kaiserlichen Rechten sehr viel, schützte aber
1336 durch die goldene Bulle, wodurch das Wahlrecht der
Kurfürsten festgesetzt wurde, die Kaiserwahl gegen fremde
Eingriffe; wiewohl dadurch zugleich die Fürstenmacht ein
noch größeres Übergewicht bekam, als sie vorher schon
über die Kaisermacht hatte. Karl war der letzte Kaiser, der sich
zugleich als König von Burgund krönen ließ. (S.§.79a.e.)
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Extrahierte Personennamen: Albrecht_von_seinem_Vetter_Herzog_Jo- Albrecht Friedrich Friedrich Ludwig Johann_Xxii Johann Karl_Iv_von Karl Karl
Extrahierte Ortsnamen: Luxemburg Italien Lud- Ludwig Frankreich Frankreichs Luxemburg Deutschland Burgund
212 §. 76. Die Kirche in ihrer tiefsten Erniedrigung.
träge mit dem Kaiser die Kraft: nur für Frankreich mußte er
sie gelten lassen, und daraus entstunden in der Folge die so-
genannten Freiheiten der gallicanischen Kirche.
Jedenfalls aber begann von dieser Zeit an die Macht der
Kirche auffallend abzunehmen, zumal die kirchliche Richtung
aufgehört hatte, das Leben der europäischen Völker in dem
Grade zu beherrschen, wie früherhin, und jede Nation mit
der fortschreitenden Entwicklung ihrer Selbstständigkeit darauf
bedacht war, den Einfluß der päpstlichen Macht bei sich zu
beschränken. Anderseits sank aber auch die kaiserliche Macht
immer tiefer durch die fortschreitende Ausbildung der sie be-
schränkenden Landeshoheit der Fürsten, so daß jene den Reichs-
ständen gegenüber fast nur noch in Oberhoheit bestand.
Nach Sigmund's Tode kam mit Albrecht Ii von
Österreich
1438 die Kaiserwürde-wieder an das habsburgische Haus,
bei welchem sie dann fortwährend blieb. Da Albrecht bald
starb, wurde Friedrich Iii, sein Neffe, gewählt, welcher drei
und fünfzig Jahre lang über Deutschland regierte, aber mit
so wenig Kraft und Ansehen, daß im Reiche die größte Un-
ordnung einriß, der ohnedieß nie völlig zu Stande gekommene
Landfrieden asienthalben gebrochen wurde, und in den Län-
dern, wohin sonst die kaiserliche Macht gereicht hatte, ver-
schiedene Veränderungen und zum Theil Umwälzungen vor-
giengen, ohne daß Friedrich etwas dagegen that oder thun
konnte. Doch fieng unter ihm die Macht Habsburgs an, euro-
päische Bedeutung zu bekommen.
Ihm folgte sein Sohn, der edle, ritterliche Maximilian I
(1493—1519), der schon vorher als Gemahl Maria's, der
Tochter Karl's des Kühnen von Burgund (s. §. 79), die
Niederlande erworben hatte. Da er zu feinen kriegerischen
Unternehmungen die Hülfe der Reichsstände, und besonders
der Reichsstädte bedurfte, so willigte er
1493 in die Gründung des ewigen Landfriedens, zu
dessen Aufrechthaltung nachher das Reichskammergericht
eröffnet wurde. Nur die Schweiz wollte dieses Gericht nicht
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Extrahierte Personennamen: Albrecht_Ii_von
Österreich Albrecht Albrecht Albrecht Friedrich_Iii Friedrich Friedrich Friedrich Maximilian_I Maximilian
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Deutschland Habsburgs Burgund Niederlande
272 §. 94. Die Republik der vereinigten Niederlande.
dachte nun aber darauf, auch in den Niederlanden einerseits
die ständischen Freiheiten zu beschranken, anderseits alle
und jede Reformation durch die Inquisition
zu unterdrücken.
Denn die spanische Inquisition (s. K. 78) war
zwar unter Karl Y mäßig gehandhabt worden; aber Philipp
ñeng gleich bei seinem Regierungsantritt in Spanien wieder
an, weder Stand, noch Alter, noch Geschlecht zu verschonen,
und überall loderten dort wieder die Scheiterhaufen, auf
denen alle, die nur ein leiser Verdacht der Ketzerei oder sonst
freier Gesinnung traf, unter Hohn und Spott, oft zur Ver-
herrlichung der Hoffeste, verbrannt wurden, wie das selbst
bei Philipps Hochzeitsfeier der Fall war.
Um jenen Zweck nun auch in den Niederlanden zu er-
reichen, legte Philipp vorerst mehr spanische Truppen in's
Land und gab seiner Halbschwester, der mildgesinnten Mar-
garetha von Parma, als Statthalterin der Nieder-
lande, den geschäftsgewandten, ganz dem Willen des Königs
sich hingebendcn Cardinal Granvella an die Seite. Dieser
machte sich jedoch durch Willkühr und Stolz bei dem nieder-
ländischen hohen Adel, der sich von seinem bisherigen Ein-
flüsse auf die Regierung des Landes ausgeschlossen sah, sehr
verhaßt. An der Spitze dieses Adels standen drei Männer
aus den höchsten Geschlechtern, der Prinz Wilhelm von
Naffau-Orarrierr, genannt der Schweigsame, der
G r a f E g m o n t und der Graf Horn. Ihre nähere Verei-
nigung , verbunden mit der steigenden Unruhe des unzufrie-
denen Landes, nöthigte den König, sowohl die Truppen zu-
rückzuziehen, als auch in Granvella's Entfernung stillschwei-
gend zu willigen.
Als nun aber doch die Inquisition in Gang kam, und
Blutgericht und Holzstoß da und dort schon ihr gräßliches
Werk begannen; als keine Berufung auf beschworne Frei-
heiten , kein Anspruch auf Behandlung als deutscher Reichs-
theil bei Philipp etwas half: so schloß der darüber empörte
Adel 1566 einen Bund, die Geuherr genannt, von dem
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Extrahierte Personennamen: Karl_Y Karl Philipp Philipp Philipps Philipps Philipp Philipp Cardinal_Granvella Wilhelm_von
Naffau-Orarrierr Wilhelm Philipp Philipp
274 tz. 94. Die Republik der vereinigten Niederlande.
gungen noch strenger fort. Zwar rückte nun Wilhelm von
Oranten selbst mit einem Heere ein, mußte aber, durch
Mangel genöthigt, das Land bald wieder verlassen, das
jetzt Alba durch Erbauung von Festungswerken in verschie-
denen Städten zu schützen suchte.
Weil nun aber Philipp, auf Alba's Rath, gegen die
Landesrechte eine unerhört starke Abgabe verlangte, und den
Handel mit England verbot, so unterstützten die dadurch
beeinträchtigten niederländischen Kaufleute den Prinzen von
Oranien zu neuen Kriegsrüstungen, und bald war, durch
den Hinzutritt der wilden Wassergeußen (Ausgewan-
derter, die vom Seeraube lebten), ein Theil der nördlichen
Provinzen im Aufstand, und ein gräuelvoller Krieg begann
(1570), in welchem Sieger wie Besiegte gleichmäßig dem
Lande schadeten.
Obgleich Alba dem Aufstande mit dem äußersten Nach-
drucke begegnete, so fand es doch Philipp gerathen, ihn
abzurufen und die Verwaltung der Niederlande einem ge-
mäßigteren Manne zu übertragen. Dennoch dauerte mit
abwechselndem Glücke der Krieg fort, aus dessen Verlaufe
hier nur die Belagerung der Stadt Leyden durch
die Spanier, und ihre glückliche Entsetzung durch eine
Flotte der Geußen, sowie die Erhebung Oraniens zum
Statthalter von Holland und Seeland und die
Entwerfung des Dordrechter Glaubensbekennt-
nisses (1574), endlich'die entsetzliche Plünderung
Antwerpens durch die Spanier 1576 hervorgehoben
werden kann.
In Folge dieses letztem Ereignisses schloßen jetzt, alle
Verschiedenheiten in den Ansichten bei Seite setzend, die
bis dahin dem König treugebliebenen Provinzen mit den
abgefallenen den Frieden zu Gent (1576), zu dessen
Aufrechthaltung die niederländischen Generalstaaten den so-
genannten ewigen Vertrag eingiengen, welchen Alba's
zweiter Nachfolger Juan von Austria, Philipps Halb-
bruder, (derselbe, der kurz vorher die Übermacht der Tür-
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm Philipp Philipp Philipp Philipp Philipps Philipps
Extrahierte Ortsnamen: Niederlande England Niederlande Holland Seeland
280
h. 96. Der dreißigjährige Krieg.
2. Das siebzehnte Jahrhundert.
fl. Der dreißigjährige Krieg.
rr) Der böhmisch-pfälzische und der niedersächsisch-
dänischekrieg.
§. 96. ^ie Spannung der Katholiken und Protestanten in
Deutschland stieg unter der schwachen Regierung Ru-
dolfs Ii, des Sohnes Marinülians Ii, durch gegenseitige
Eingriffe immer höher. Die Protestanten drangen auf Er-
neurung der Religionsfriedcns - Bestätigung, die man ihnen
aber nur gegen Herausgabe der seit dem Passauer-Vertrag
eingezogenen Güter gewähren wollte. Als daher die Unter-
drückung der Protestanten insteyermark und die Ächtung Do-
nauwörths ihre Besorgnisse steigerte, so schloßen sie 1608
eine Union zum Schutze ihrer Rechte unter dem reformirten
Kurfürsten Friedrich Iv von der Pfalz, wogegen als-
dann die Katholiken eine Liga unter dem Herzog Maxi-
milian von Bayern schloßen. Beide Theile geriethen
kurz darauf bei Gelegenheit des Iülichischen Erbfolgestreites mit
den Waffen aneinander; doch machten sie bald wieder Frieden.
Als nach Rudolfs Tode sein Bruder Mathias Kai-
ser wurde, ließ er sich bereden, seinem Vetter Ferdinand,
als künftigem Nachfolger, einstweilen die Regierung von Böh-
men, Ungarn und Österreich zu übertragen. Weil aber der
sirengkatholische Ferdinand in seinen Erblanden Steyermark,
Kärnthen und Krain den Protestantismus völlig unterdrückt
hatte, so befürchteten die protestantischen Stände in Böhmen,
welche von Rudolf im sogenannten Majestätsbriefe
freie Religionsübung erhalten hatten, das gleiche Schicksal.
Wirklich wurde auf kaiserlichen Befehl von zwei Kirchen,
welche von protestantischen Unterthanen katholischer Stände
gebaut worden waren, die eine niedergerissen, die andere
geschlossen, und als die protestantischen Stände sich darüber
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Iv Friedrich Rudolfs Mathias_Kai- Ferdinand Ferdinand Ferdinand Rudolf Rudolf
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Marinülians Bayern Iülichischen_Erbfolgestreites Rudolfs Ungarn Krain
§. 96. Der dreißigjährige ñrreg.
231
beschwerten, erhielten sie einen scharfen Verweis. Wüthend
darüber warfen Abgeordnete dieser Stände unter Anführung
des Grafen Mathias von Thurn zwei katholische Mit-
glieder der kaiserlichen Statthalterschaft in Prag zu den
Fenstern der Schloßkanzlei hinab. Die Folgen dieser rohen
Gewaltthat voraussehend, rissen dann die protestantischen
Stände die Regierung an sich, weigerten sich nach dem
kurz darauf eingetretenen Tode des Kaisers Mathias den
nunmehrigen Kaiser Ferdinand! als ihren König an-
zuerkennen, und gaben dem Kurfürsten Friedrich V von
der Pfalz die böhmische Krone, die derselbe, angetrieben
von seiner ehrgeizigen Gemahlin, ungeachtet der Abmah-
nung aller Kurfürsten, so wie auch Frankreichs und Eng-
lands , aus Eitelkeit annahm. So entstund
1618 der dreißigjährige Krieg.
Denn unverweilt rückte nun der mit dein Kaiser ver-
bündete, als Feldherr und Staatsmann gleich ausgezeich-
nete Herzog Maximilian von Bayern mit dem
ligistischen und kaiserlichen Heere durch Österreich (wo er die
gleichfalls im Aufstand begriffenen Protestanten zum Gehor-
sam zurückbrachte) in Böhmen ein, und schlug das schlecht
geführte Heer des entmuthigten Friedrich 1620 in der
Schlacht am weißen Berg bei Prag so gänzlich, daß
Friedrich eiligst aus dem Lande floh, um im nördlichen Deutsch-
land Hülfe zu suchen. Hierauf erklärte ihn der Kaiser in die'
Acht und seiner pfälzischen Länder verlustig; die Böhmen aber
wurden hart bestraft und späterhin (1526) alle diejenigen
Protestanten, die nicht zur katholischen Kirche zurückkehrten,
unter Entziehung des größten Theils ihrer Habe, aus dem
Lande vertrieben.
Da sich nun die Union auflöste, nahm sich des geäch-
teten Kurfürsten Niemand an, als der Markgraf von
Baden- Durlach und die in pfälzischen Diensten stehenden
Söldncrführer Prinz Christian von Braunschweig-
H alberstadt und Graf Ernst von Mannsfeld, welche
beide letztere am Rhein einen Plünderungskrieg gegen die
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Extrahierte Personennamen: Mathias_von_Thurn Mathias Ferdinand Friedrich Friedrich Maximilian_von_Bayern Maximilian Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Christian_von_Braunschweig- Graf_Ernst_von_Mannsfeld Ernst
206
' §. 75. Die Ausbildung der Landeshoheit.
4. Verfall der Lehensmonarchie und
der Kirche.
1. Die Ausbildung der Landeshoheit.
§. 75. <Äls zwei Jahre darauf der bisherige, wenig beachtete
Gegenkaiser Friedrich's Ii und Konrad's Iv, Wilhelm von
Holland, in einem Kriege gegen die Friesen umgekommen
war, trat
1236—1273 das Interregnum ein, da kein deutscher Fürst
die Kaiserkrone annehmen wollte, sondern dieselbe fremden
Fürsten für Geld überlassen wurde, und zwar von dem einen
Theile der Wähler dem englischen Prinzen Richard von
Cornwallis, von dem andern Theile derselben dem Könige
Alfons von Castilien. Um sich Anhänger zu verschaffen, suchte
jener, wie dieser, die deutschen Fürsten durch Verleihung
von Hoheitsrechten an sich zu fesseln, und dadurch wurde
die kaiserliche Macht so geschwächt, die fürstliche dagegen so
erhoben, daß von nun an die Kaiser über die fast selbst-
ständige Macht der Reichsfürsten nicht viel vermochten, zu-
mal da seit Heinrich Iv die großen Lehen (die Herzog-
thümer, Fürstenthümer, Grafschaften re.) erblich geworden
waren.
Während zu dieser Zeit in Italien der letzte jugend-
liche Sprosse des hohenstaufischen Hauses, Conradin, im
Kampfe um sein väterliches Erbe Neapel und Sizilien, das
der Papst dem französischen Herzog Karl von Anjou ge-
geben hatte, dem Verrathe unterlag und zu Neapel unter
dem Nichterbeile siel: stieg in Deutschland durch die Ab-
wesenheit und Unmacht des Reichsoberhauptes und durch die
selbstsüchtige Haltung der Fürsten die schon unter den Hohen-
staufen eingerissene Unordnung aufs höchste. Jeder Stand,
vom Fürsten herab bis zum Ritter und Stadtbürger, trach-
tete nach Unabhängigkeit, und suchte sich auf Kosten des An-
dern zu erheben und zu bereichern. Die Übel des Faustrechts
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm Richard_von
Cornwallis Alfons_von_Castilien Heinrich_Iv Heinrich Karl_von_Anjou Karl
Extrahierte Ortsnamen: Holland Italien Conradin Neapel Sizilien Neapel Deutschland
§. 75. Die Ausbildung der Landeshoheit. 207
nahmen schrecklich überhand, und ein Theil der Ritterschaft
erniedrigte sich sogar zum Naubleben, und störte den Handel
und Wandel der betriebsamen Städter auf das empörendste:
weßhalb sich die Städte zum Schutze ihres Handels
in Bündnisse vereinigten, von welchen die 1241 gestiftete
mächtige Hansa (s. §. 76 a. E.) und der rheinische
Städtebund die wichtigsten wurden.
Daher schritten, als Richard gestorben war, die deutschen
Fürsten, theils um die Kaiserwürde bei Deutschland zu er-
halten, theils um der eingerissenen Unordnung zu steuern,
wieder zur Wahl eines Kaisers aus deutschem Geschlechte.
Um aber ihre unterdessen erworbenen Hoheitsrechte
behalten zu können und wo möglich sie noch zu vermehren,
lenkten sie die Wahl meist nur auf solche Männer, welche
der Kaisermacht nicht durch einen großen Länderbesitz Nach-
druck geben konnten.
Es folgen daher nun abwechselnd
1273—1437 Kaiser aus verschiedenen Häusern: zuerst
Rudolf, Graf von Habs bürg, der durch Handhabung
der Gerechtigkeit, besonders in Bestrafung der Raubritter,
die Ordnung in Deutschland herstellte, und im Kampfe mit
dem widerspenstigen König Ottokar von Böhmen seinem
Hause den Besitz der österreichischen Länder verschaffte,
den ihm die dputchen Fürsten wegen seiner Tapferkeit und
Redlichkeit gerne bewilligten, so daß er dadurch der Gründer
des habsburgisch-österreichischen Hauses wurde.
Ihm folgte (1291) Adolf, Graf von Nassau, der
im Kampfe für die Behauptung seiner Krone fiel, welche die
mit seiner Reichsverwaltung unzufriedenen Fürsten dem Sohne
Rudolfs Albrecht l (1293) übertragen hatten. Unter der
eigensüchtigen und verhaßten Regierung Albrecht's wurde
1308 zu der freien Eidgenossenschaft der Schweizer,
durch den Aufstand der drei Waldstädte Uri, Schwytz und
Unterwalden gegen die Übergriffe habsburgischer Herrschaft,
der Grund gelegt. Dieser Bund erstarkte bald im Kampfe mit
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Extrahierte Personennamen: Rudolf Rudolf Ottokar_von_Böhmen Ottokar Adolf Adolf Rudolfs Albrecht
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Deutschland Nassau
§. 76. Die Kirche in ihrer tiefsten Erniedrigung. 211
Und so konnte denn Ruprecht's Nachfolger, Kaiser Si-
gismund, Wenzel's Bruder,
1414 das Concilium zu Constarrz zu Stande bringen, welches
die drei Päpste absetzte und den Grundsatz aufstellte, daß sich
der Papst den Beschlüssen einer allgemeinen Kirchenversamm-
lung unterwerfen müsse. Weil man aber vor der Abstellung
der übrigen Kirchengebrechen den neuen Papst wählte, der
alsdann von dem Concilium keine Verbesserungsvorschläge
annahm, so war zwar die (äußere) Einheit der Kirche, nicht
aber ihre Reinheit hergestellt.
Dazu kam, daß das Concilium selbst durch ein leiden-
schaftliches Urtheil den spätern Riß in der Kirche dadurch
vorbereitete, daß von ihm
14113 Johann Huh, der als Professor der Theologie zu Prag
gegen die Gewalt des Papstes und gegen verschiedene andere
Kirchenlehren aufgetreten war, zum Feuertode verurtheilt und
zu Constanz als Ketzer verbrannt wurde. Zunächst ent-
stand aus diesem Verfahren
14120—1436 der Hussitenkrieg, indem sich Hussen's Anhänger
in Böhmen im Aufruhr erhoben, unter ihren Anführern Ziska
und den beiden Procopius alle vom Kaiser und Reich und
Papst gegen sch aufgebotenen Heere schlugen, und einen großen
Theil Böhmens und aller umliegenden Länder auf das gräu-
lichste verwüsteten. Nur als das zu Basel wieder zusammen-
getretene Concilium den Forderungen der gemäßigten Partei
der Hussiten, der Calirtiner, nachgab, und diese dann selbst
sich gegen die fanatische Partei der Taboriten wendeten,
ward endlich die Ruhe wieder hergestellt.
Aus dem besseren Theile von ihnen entstund nachher die
böhmisch-mährische Bürgergemeinde, die unter man-
cherlei Verfolgungen ihren 'Glauben bewahrte, bis sie später-
hin zum Theil in die jetzt bestehende, vom Grafen Zinzendorf
gestiftete Brüder-Unität übergieng.
Alle Beschlüsse des Basler Conciliums aber, die auf Be-
schränkung der päpstlichen Macht gerichtet waren, verwarf
- der Papst und nahm ihnen für Deutschland durch neue Ver-
14*
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Extrahierte Personennamen: Johann_Huh Johann Hussen's_Anhänger Procopius